Ein Vortrag über die Geschichte der NSU
Es ist schon viel über die Geschichte von großen
Automobil- und Motorrad-Marken geschrieben worden -
über die Geschichte von NSU in Neckarsulm nur wenig.
Mit meinem Buch will ich diese Lücke schließen, denn es
gilt die Geschichte und die Fahrzeuge einer Marke
vorzustellen, die in über Hundert Jahren sich bemühte,
die Menschen mobil zo machen. In dieser Zeit spielte sich der technische Fortschnitt im Radumdrehen ab.
Mit Pioniersgeist, Erfindungsreichtum, mit viel Fleiß und gründlicher Arbeit hatte NSU in Neckarsulm in die Speichen gegriffen und am Rad der Zeit gedreht.
Die Geschichte von NSU ist das Dokument einer Epoche, eines wahrhaft bewegten Jahrhunderts. Sie beweist aber auch, daß die drei Buchstaben N.S.U. viel mehr sind als bloß eine Firmenbezeichnung. NSU ist eine Abkürzung, die zum Begriff wurde.
Peter Schneider
22. März 1986
Einführung
Es begann in der guten, alten Zeit. 1873 - im Jahr der 1. Weltausstellung - richteten zwei wackere Schwaben namens Christian Schmidt und Heinrich Stoll in Riedlingen an der Donau eine mechanische Werkstätte ein, in der sie Strickmaschienen herstellten. Vom Donaukanal gespeist, trieb nach alter Väter Sitte ein großes Wasserrad die zur Bearbeitung der Teile notwendigen Maschinen an. Die beiden unternehmungslustigen Mechaniker erkannten nämlich, daß im südwürttembergischen Raum die Textilindustrie einen großen Aufschwung nahm und man deshalb mit Textilmachinen Geld verdienen könnte. Trotz des sprichwörtlichen schwäbischen Fleißes und in ihrem Rahmen gute Verkaufserfolge, mußte Christian Schmidt erkennen, daß das Wasserrad wohl doch nicht geeignet war, einen größeren Betrieb zu speisen, und auch die Räumlichkeiten erwiesen sich als zu beengt.
1. Am Anfang mit Fahrrädern
1880 trennte sich Schmidt von seinem Kollegen Stoll und zog nach Neckarsulm, wo er eine alte, ziemlich zerfallene Säge- und Gipsmühle um einen Kaufpreis von 18.000 Goldmark erworben hatte. Mit sieben Arbeitern und zwei “Beamten” begann Schmidt dort Ende 1880 weiterhin Strickmaschinen zu produzieren.
Im August 1890 eine neue Preisliste.
Die Qualität der Strickmaschinen waren groß, wurden einfach zu bedienen und langlebig. Geeignet für Baumwolle, Wolle und Seide. Flach-und Rundstrickmaschinen gerade verschoben und Mustern. Für die Herstellung von Auto Decken, Mäntel, Jacken und Damen Ordner. Andere Maschinen wie Nähmaschinen wurden ebenfalls hergestellt, mit oder ohne Antrieb.
Sie hatten auch eine Reparaturwerkstatt. Alle Arten von Reparaturen sofort durchgeführt und die Kosten, Versand von “Bahnhof Lok Neckarsulm”.
In der Galerie “FOTOGALERIJ” zwei Strickmaschinen und die Preisliste August 1890.
Die Südfassade des neuen Strickmaschine Werk in Neckarsulm,
wo von 1880 bis 1892 wurden Strickmaschinen gebaut.
Im Februar 1884, im Alter von 39 starb Christian Schmidt.
Federzeichnung Hans Homburg
Dem Trend der Zeit folgend, kam man in Neckarsulm im Jahre 1886 auf die Idee, Fahrräder zu bauen, die damals gerade populär zu werden begannen. Die ersten 30 Hochräder verließen das aufstrebende Unternehmen. Doch eigentlich konnten sich auf diesen Ungetümen nur Akrobaten fortbewegen. Zwangsläufige Entwicklung: Das Sicherheitsrad und das Niederrad.
Die erste “Hochrad” Germania Art wurde 1886 hergestellt.
Im Vordergrund, mit dem Fahrrad Sicherheit Pfeil Jahr 1888.
Federzeichnung Hans Homburg
Mit diesem neuen Fahrrädern - sie hießen “Pfeil” und “Gazelle” - hatte man genau das Richtige getroffen. Die Nachfrage war stark und machte 1888 einen Ausbau des Betriebes notwendig. Ein Jahr später stellten schon insgesamt 60 Menschen 200 Fahrräder her. Der Begriff Betriebsklima schien schon damals nicht unbekannt. Gottlieb Banzhaf, der inzwischen die Schmidt'sche Werkstatt in eine Fahrradfabrik umgewandelt hatte, organisierte 1886 einen vielgelobten Betriebsausflug mit der Schwäbischen Eisenbahn.
2. Erster Flirt mit dem Automobilbau
Wegen der Präzision ihrer Fabrikate errangen die Neckarsulmer Fahrradbauer sehr rasch einen guten Ruf. Vor allem verfügte man als erste württembergische Fahrradfabrik über reiche Erfahrung in der rationellen Herstellung von Stahlrohren und Laufrädern. Diese Erfahrung machte sich das Zweigespann Daimler und Maybach zunutze, als man einen modernen Motorwagen bauen wollte. Am 11.12.1888 hatte der technische Direktor Ludwig Zeidler seine Konstruktionsentwürfe fertig und legte sie Daimler und Maybach vor.
Neu daran war vor allem die Gelenksteuerung und die Idee, in der Stahlrohren des Rahmens das Kühlwasser zirkulieren zu lassen. 20 Fahrgestelle wurden nach Cannstatt verkauft, wo der geniale Maybach nur noch den Daimler-Motor und den Antrieb organisch einzubauen brauchte. 1889 war dieser Stahlradwagen auf der ersten Automobilausstellung der Welt eine Sensation. Spitze 22 km/h. Preis 4000 Mark. Paris stand Kopf.
Qualität allein genügte nicht mehr. Ein einprägsames Markenzeichen mußte her, denn man fabrizierte 1892 nicht nur komplette Fahrräder, sondern auch Fahrradteile, Pedale, Naben und Tretlager für andere Firmen. Die pfiffigen Fabrikanten aus Neckarsulm nahmen einfach drei Buchstaben aus dem Ortsnamen und setzten sie in eine der drei Hirschstangen des Würtembergischen Staatswappens. N.S.U. - das Markenzeichen war geboren.
Von nun an kamen die Fahrradteile unter der gesetzlich geschützten Marke “NSU im Hirschhorn” in den Handel und das Geschäft begann zu blühen. Man blickte optimistisch in die Zukunft. In Neckarsulm wurden 5281 Fahrräder gefertigt. Handarbeit versteht sich, das Stück kostete 200 Goldmark. Da kam böse Kunde aus Amerika. Dort war inzwischen die Großserienfertigung angelaufen und die Yankees warfen ihre Erzeugnisse für 80 Mark auf den Markt. Der Dumping-Preis bedeutete das “Aus” für viele deutsche Unternehmen. Auch die Neckarsulmer Fahrradwerke - mit einer Belegschaft von 420 Mann und dem beachtlichen Aktienkapital von 1 Milion Goldmark - litt unter der amerikanischen Konkurrenz. Man hatte sich auch ein wenig zu weit vorgewagt: Das Verkaufsprogramm im Jahre 1900 umfaßte insgesamt 25 verschiedene Fahrradmodelle.
3. Neckarsulmer Motorrad zur Jahrhundertwende
Mit dem begehrten Titel “Königlicher Hoflieferant” ausgestattet und auf langjärige Erfahrung im Bau von Fahrrädern zurückblickend, faßten, genau zur Jahrhundertwende, die Herren der Geschäftsleitung den mutigen Entschluß, die Produktion von Motorrädern aufzunehmen. Die ersten “Neckarsulmer-Motorräder” - Neckarsulm war der offizielle Markenname - wurden noch mit dem Schweizer 1 1/2 PS-Zedelmotor geliefert. Sie sahen wie alle ihre Zeitgenossen dem Fahrrad noch sehr ähnlich und hatten den Motor vor dem Tretlager.
Zu einem vollständig im eigenen Hause gebauten Motorrad mauserte sich dann das “Neckarsulmer-Motorrad” 1903, als an Stelle des Zedelmotors ein Einzylinder eigener Fertigung trat. Auch die Werbung war originell: “Wir haben uns entschlossen, für nervenstarke Fahrer ein starkes, dreipferdiges Motorrad zu bauen, das sehr schnell ist, man kann aber auch langsam damit fahren!”
Steuerkopfzeichen Motorrad 1901
Neckarsulm N.S.U. 17.06.2006
2,5 PS 1905 von Bernd Tabelle
Im August 2005 hat er von Bockel (Hamburg) nach Neckarsulm (700 km) gefahren zum
100-jährigen Geschichte des Motors zu feiern!
‹ 4 Bilder Galerie “FOTOGALERIJ”
Nach den ersten 12 Monaten hatten bereits 2228 Machinen die Fabrikhalle verlassen. Unternehmerischer Wagemut hatte sich bezahlt gemacht.
Es folgten Jahre fruchtbarster technischer Entwicklung. Auf 4 PS brachte es bereits 1905 ein wassergekühltes und mittels Kette angetriebenes Modell. Ein Spezialmodell für Seitenwagen erschien ebenso wie die ersten V-Zweizylinder-Motorräder mit bis zu 5 1/2 PS Leistung. Ein in der Motorantriebsnabe eingebautes Zweiganggetriebe wurde schon 1906 angeboten. Auch nahm man die Federung zu dieser Zeit schon so wichtig, daß man zur Erprobung der ersten federnden Vordergabeln den Einfahrer über eine 16-stufige Treppe brausen ließ.
In Deutschland fanden die ersten motorsportlichen Veranstaltungen statt. Das Interesse war groß, die Öffentlichkeit bezeichnete die Fahrer als verrückt. Bereits 1908 fuhr eine 7 1/2 PS-Zweizylinder-NSU 108,5 km/h, was als Weltrekord deklariert wurde, und ein Jahr später schaffte Lingenfelder auf einer Landstraße nahe Los Angeles 124 km/h, was wiederum Weltrekord war und gleichzeitig den Auftakt des Exportgeschäftes nach USA bildete.
Photo in Neckarsulm 17.06.2006 - N.S.U. 1911 3 PS, 396 ccm viertakten, 80 km/h
4. Eigener Schritt im Automobilbau
Das Zweiradgeschäft florierte. Man hatte zahlreiche Neubauten geschaffen und beschoß nun, auch Autos zu bauen. Wärend im Jahre 1906 der Schuhmacher Wilhelm Voigt den Untertanengeist seiner Zeit demaskierte, in dem er die Stadtkasse von Köpenick in einer Hauptmannsuniform beschlagnahmte, machten die ersten “Original-Neckarsulmer-Motorwagen” die Straßen unsicher. Der erste eigene Schritt im Automobilbau war getan. Mit welcher Gründlichkeit man sich in Neckarsulm dem Bau von Automobilen widmete, zeigten drei neue Modelle auf der Berliner Automobil-Ausstellung 1907.
Diese Motorwagen besaßen Vierzylindermotoren von 12 bis 20 PS und wiesen eine ganze Reihe von Neukonstruktionen im Detail auf.
Sehr bald erkannten auch die Neckarsulmer Automobil-Fabrikanten, daß der Fortschnitt und die technische Entwicklung nur durch den Konkurrenzvergleich zu dokumentieren sei. 1909 galt es für sie, sich zur 2. Prinz-Heinrich-Fahrt zu rüsten. Nicht nur in diesem Falle Spitzenreiter des Unternehmens, führte “Fabrik-Direktor” Karl Schmidt das Motorwagen-Team der Neckarsulmer Fahrrad-Werke AG an.
Nach 1836 km strafpunktfreier Fahrt die drei gestartrten 10/20 PS Tourenwagen am Ziel wertvolle silberne Plaketten in Empfang nehmen.
Die junge NSU-Automobilproduktion hatte einen großen Erfolg errungen.
Der Typ 5/15 wurde von 1913 bis 1925 gebaut und ging durch mehrere Versionen. Oberhalb des kleinen Modell mit 1232 ccm Hubraum fuhr 15 PS bei 1800 t/m,
550 kg und 60 km/h.
Die Berliner IAA 1912 sah erstmals den neuen Typ 8/24 PS, ein “halbstarker” Doppelphaetonn-Tourenwagen mit Torpedo-Karosserie. Zugleich wurde an diesem Fahrzeug eine neue Kühlerform kreiert. Anstelle des bisher verwendeten Kühlers, der sich in etwa an die Form des belgischen Pipe-Wagen anlehnte, trat nun ein eigener Ovalkühler, der gefälliger aussah.
Auch prankte jetzt auf allen Fahrzeuge nicht mehr das Wort “Neckarsulm”, sondern die Abkürzung “NSU”. Zu Beginn der zwanziger Jahre liefen die Geschäfte gut und die Produktion auf vollen Touren.
Im Jubiläumsjahr 1923, bauten 4070 NSU-Werker alle 2 Stunden ein Automobil, alle 20 Minuten ein Motorrad, alle 5 Minuten ein Fahrrad und alle 30 Sekunden eine Freilaufnabe. Auf dem automobilen Sektor stellte man drei Modelle her: Den kleinen 5/15 PS-Vierzylinder, den 8/24 PS und den schon recht großen 14/40 PS.
Die NSU-Wagen hatten jetzt, wie alle anderen Konkurrenten auch, Spitzkühler, elektrische Licht- und Anlasseranlagen und die sicheren Vierradbremsen.
5. Sportlicher Ruhm für NSU
Die Beteiligung am Sport wurde bei NSU immer groß geschrieben, und man führte diese Linie auch dem Ersten Weltkrieg weiter. Sowohl 1923 als auch 1924 kamen die 1,3 Liter-Sportwagen - der serienmäßige 5/15 PS bildete hierzu die Grundlage - auf der AVUS zu viel beachteten Klassensiegen.
Es war 1923 eine kleine Sensation, daß der NSU-Sport, den man auch kaufen konnte in der mit den besten deutschen Marken am stärksten besetzten “Kleinauto-Klasse” die ersten drei Plätze belegen konnte und einen Durchsnitt von 120 km/h erreichten. « Foto vergrößern
Zwei große Sportjahre erlebte dann nochmals der NSU-Automobilbau. Für die großen Rennen der Jahre 1925 und 1926 hatte man der Vierzylinder nicht mehr weiter entwickelt, sondern - für den späteren Serienbau gedacht - einen 1,5 Liter-Sechszylindermotor gebaut. Der neukonstruierte Rennwagen leistete mit Kompressor 60 PS und brachte es kurtzfristig auf 175 km/h.
Mit diesem völlig unbekannten und noch nicht erprobten Prototyp startete August Momberger, Oberprimaner und Praktikant bei NSU 1925 beim allerersten “Großen Preis von Deutschland” auf der klassischen Rennstrecke im Taunus. Momberger gewann mit großem Vorsprung zur überraschung aller Welt als Gesamtsieger dieses bedeutende Automobil-Rennen vor den hochfavorisierten Marken wie Mercedes, Bugatti und NAG.
Ein Jahr später, beim “Großen Preis von Deutschland” auf der AVUS, konnte NSU den Überraschungserfolg nicht ganz wiederholen. Doch die NSU-Renner holten sich in ihrer 1,5 Liter-Klasse einen aufsehenerregenden 4-fachen Sieg. Dabei fuhr Georg Klöble auf dem Spitzen-NSU als Fünfter des Gesamtklassement beachtlichen 128,8 km/h-Schnitt.
Aufgeschlossen und mit wachem Sinn für den Markt, stellte Nsu 1927 den Sechszylinder als Tourenwagen auf die Räder. Auf 1,8 Liter Hubraum vergrößert und mit einer Leistung von 34 PS bei 3000 U/min brachte er es auf eine Spitze um 100 km/h. Dieser Sechszylinder-Tourenwagen rundete das NSU Automobil-Programm nach oben ab. Leider folgte diesem NSU-Wagen die allgemeine Wirtschaftskrise auf dem Fuß, die NSU zwar gemeistert hat, die aber den besagte Sechszylinder für lange Zeit zum letzten NSU-Auto werden ließ. Unter dem Motto “Gesundschrumpfen” stellte man 1929 den Automobilbau ein.
Die kompletten Fertigungsanlagen in Heilbronn wurden von Fiat übernommen und die Turiner gründeten die neue Firma “NSU Automobil AG”.
Knapp zwei Jahre nach der vorübergehenden Stillegung der Automobil-Produktion schien es jedoch einmal ein NSU-Auto zu geben. Dr. Ferdinand Porsche hatte für NSU einen luftgekühlten Vierzylinder-Heckmotor-Wagen entwickelt. Drei Prototypen des Porsche-NSU Typ 32 liefen bereits mit besten Ergebnissen, als Dr. Porsche von der Regierung den Auftrag bekan, eine firmenunabhängige Konstruktion zu schaffen. Dieser Wagen sollte in einem eigens dafüf gebauten riesigen Werk hergestellt werden und einen neuen Namen bekommen. Den bekam der Typ 32 dann auch - den Namen Volkswagen.
6. Neuer Glanz durch Walter Moore und Tom Bulles
Im Motorradbau hatte man die Krisensituation mit Hilfe von Rationalisierungsmaßnahmen und der Einführung der Fließbandarbeit gemeistert. Man baute nur noch Motorräder in Neckarsulm, preiswerte und schnelle.
3x NSU 502 T 2-Zylinder 498 ccm, 10 PS, 155 kg Höchstgeschwindigkeit 100 km/h - 1924-1927.
1929 kam als neuer Chefkontrukteur Walter Moore aus England in die Motorenstadt, und mit ihm hielt die englische Linie am Zeichenbrett und in der Fertigung ihren Einzug. Dieser Walter Moore brachte damals auch den jungen hervorragenden englischen Rennfahrer Tom Bullus mit nach Deutschland, der auf NSU-Machinen ungemein populär wurde. In unzähligen Rennsiegen machte Bulles den neuen, von Moore entwickelten, NSU-Königswellenmotor bekannt. Die der Rennmachine nachgebildete Sportversion hieß dann auch “Bullus-NSU”.
Aus diesem Modell entstanden nach den Konstruktionsplänen von Moore die erfolgreichen OSL-Seriensportmachinen von 200 bis 600 ccm.
In dieser Zeit wurde das NSU-Quick zum Volksmotorrad. Preis 290 Mark. Es bescherte auch der großen Vorkriegsstückzahlen, die NSU, neben DKW, zur größten Motorradfabrik dieser Zeit wachsen ließ.
« 7x Quick-Galerie “FOTOGALERIJ”
Ein Jahr vor Kriegsausbruch verließen 63.000 Motorräder und 136.000 Fahrräder das Werk an Sulm und Neckar.
Auch bei den NSU-Werken - wie die Firma nun hieß - bestimmte die Rüstung mit ihrer Forderungen an die Industrie mehr und mehr Umfang und Art der Produktion. So baute man in Neckarsulm ab 1940 speziell für den Heereseinsatz ein Kettenkraftrad, das als Antriebsquelle den bekannten 1,5 Liter-Opel-Olympia-Motor mit 36 PS besaß. Bis zum Jahre 1948 weitergebaut, erreichte das NSU-Kettenkrad die Produktionzahl von genau 7813.
7. Neuer Start mit guten Ideen
Bereits 1946 wurde unter der neuen Leitung von Generaldirektor Walter E. Niegtsch, Direktor Viktor Frankenberger und Chefkonstrukteur Albert Roder bei den NSU-Werken wieder die Ärmel hochgekrempelt. Allen Grund zum Optimismus hatten dann zwei Jahre später - im Jahr der Währungsreform - 3000 Werksangehörige, als sie feierlich das 75-järige Jubiläum ihrer “Fahrrad” begingen. Mit dem Produktionsbeginn der ersten Motorrad-Neukonstruktion nach dem Krieg - der NSU-Fox - im Jahre 1949 ging Albert Roder eigene Wege. Ihre Konstruktionsprinzipien-Zentralpreßrahmen und “beruhigte Luft” - leiteten eine neue Richtung im NSU-Motorradbau ein. Von der beginnenden Konjunktur unterstützt, trat eine große Nachfrage nach NSU-Erzeugnissen ein und brachte gleichzeitig den Slogan “Wart auch Du auf NSU” auf die Werbeplakate oder “Fixe Fahrer Fahren Fox”.
NSU Konsul I 351 in den Hintergrund und die beliebten NSU 251 OSL Motorrad Touren-Sport. 67.442 Stück von 1933 bis 1952 hergestellt.
8. Leuchtende Stars: Werner Haas, H.P. Müller, Rupert Hollaus
Wo NSU fährt, ist die Spitze! So orientierten sich die Zuschauer bei den unvergeßlichen Rennen der Jahre 1953 und 1954.
NSU stellte mit Werner Haas den erfolgreichsten Motorrad-Rennfahrer. Er wurde dreifacher Weltmeister und gewann viermal die Deutsche Meisterschaft. Bei den großen Preisen von Holland, Deutschland, der Schweiz, auf dem gefärlichen Monza-Kurs in Italien und beim Großen Preis von Spanien wurden NSU-Renner als erste abgewunken.
In den Rekordlisten findet sich der Name NSU schon vor dem ersten Weltkrieg, und die 124 km/h des Jahres 1909 erschreckten die Menschen zutiefst. 1951 setzte Wilhelm Herz die Weltrekordmarke bei 290 km/h fest. 1954 erschien zum ersten mal der Name Gustav Adolf Baumm auf der Weltrekordliste. Er stellte mit seinem “fliegende Liegestuhl” 11 neue Weltrekorde in den Klassen 50 bis 100 ccm auf. Gustav Adolf Baumm baute zusammen mit NSU diese sensationelle Weltrekordmaschine, die damals mit Abstand den niedrigsten Luftwiderstandswert besaß, der jemals bei vergleichbaren Fahrzeugen gemessen wurde. Den Beinamen “fliegender Liegestuhl” trug das kleine Weltrekordfahrzeug von NSU nicht zu Unrecht. Diesen Kosenamen verdankte der weißstrahlende Rekordflitzer der Position seines Fahrers, der in der Tat mit dem Sitzkomfort, den ein Liegestuhl zu bieten vermag, auf Rekordjagd ging.
Im Hochsommer 1956 donnerten auf dem Bonneville Salt Flats in den USA wieder einmal die Motoren, Wilhelm Herz und H.P. Müller holten für NSU alle Geschwindigkeitsrekorde. Herz schraubte dabei die absolute Weltrekordmarke für Motorräder auf 339 km/h. In der kleinsten Hubraumklasse erreichte H.P. Müller eine Zeit, die sämtliche Experten und Zuschauer verblüffte. In seinem “Baumm'schen Liegestuhl” durchraste er die Meßstrecke auf dem Salzsee mit einer Geschwindigkeit von 196 km/h.
9. NSU größter Zweiradproduzent der Welt
Der Verkauf hielt dieses Tempo mit. Die Produktion stieg von Jahr zu Jahr. 1953 wurde die 100.000er-Grenze überschritten. Ein Jahr später erreichte der Ausstoß bereits meht als das Doppelte, nämlich 201439 motorisierte Zweiräder. Den Höhepunkt schließlich bildete 1955 die Rekordproduktion von 350.000 Zweirädern, die damit das Werk an Sulm und Neckar zum größten Produzenten seiner Art werden ließ. “Fox”, “Lux” und “Max” hießen die NSU-Motorradstationen der Nachkriegszeit.
NSU Lambretta 1951-1956Zu diesen Erfolgsmodellen kam bereits 1951 die Lizenzfertigung der italischen Motorroller “Lambretta”. Ein NSU-Verkehrsmittel für gut angezogene Menschen.
Mit diesen spektakulären Erfolgen ging der Zweirad-Boom seinem Ende entgegen. In der Wirtschaftswunderzeit mußte des Deutschen liebstes Kind Chrom und Glas verzeigen und auf vier Rädern stehen.
KLICK für Größer Bild
NSU verabschiedete sich von der Epoche der Motorräder mit beachtlichen Zahlen: genau 2.284.485 motorisierte Zweiräder und 1.742.838 Fahrräder wurden seit Firmengründung in Neckarsulm gebaut. NSU-Motorräder, wie sie seit 1901 im Sport und Alltag den Ruf ihres Namens in alle Welt getragen, hatten nun aufgehört erzeugt zu werden. Sie schufen aber ohne Zweifel jenen Goodwill, mit dem NSU sich auf die sicheren Ufer der Automobilgeschäftes hinübergerettet hatte.
10. Kreiskolbenmotor setzt neue Maßstäbe
Nach fast 30-järiger Unterbrechung erschien 1957 der Kleinwagen “Prinz” mit einem luftgekühlten Zweizylindermotor und 20 PS Leistung. Die guten Kontakte des NSU-Vorstandes (nunmehr unter der Führung von Gerd Stieler von Heydekampf) zu dem Erfinder Felix Wankel führten zum Bau des ersten Rotationskolbenmotor.
« 5x Bildern Galerie “FOTOGALERIJ”
Nach den Wankel-Patenten entstanden, bestätigte der neue Motor erstmals am 1.2.1957 in der NSU-Forschungsabteilung akkustisch, daß sich in einem 8-förmigen Gehäuse, in dem ein dreieckiger Läufer rotiert, ein exakter Viertakt-Prozeß sich durchführen ließ.
Erläuterung der Wankelmotor ist hier...
Die zügige Entwicklungsarbeit führte 1959 zum ersten Lizenz-Vertrag mit der amerikanischen Curtiss Wright Corporation. Die Weltpresse hatte ihre Schlagzeilen und die NSU-Aktie wurde zu einem Lieblingspapier an der Börse.
Es dauerte indessen noch mehr als sieben Jahre bis der Welt erster Wagen mit einem Wankelmotor in einer kleinen Serie hergestellt wurde: Der NSU-Spider mit einem Kammervolumen von 500 ccm. Im Sport von der CSI in die 1000 ccm-Klasse eingestuft, fand der Wankel-Spider weltweites Interesse.
11. Die Präsentation des NSU Ro 80
Mit den Großen der Kraftfahrzeug-Industrie wurden Lizenzabkommen abgeschlossen und bereits zur IAA 1965 zeigte NSU den Automobilantrieb der Zukunft: ein Doppelkreiskolben-Motor mit 2x 500 ccm Kammergröße und 110 PS Leistung. Das Jahr 1967 sah dann die Präsentation des NSU Ro 80, dem ersten “richtigen” Wagen mit Kreiskolbenmotor. Journalisten und Experten aus vielen Ländern wählten ihn zum “Auto des Jahres” und verliehen ihm aufgrund seiner technischen Konzeption den ehrenvollen Titel “Car of the Year”.
NSU Ro 80. 29. Int. NSU Treffen Möhnsen Deutschland 6. Juni 2009.
Als schnelle Reislimousine mit strömungsgünstiger Karosserie zeichnete sich der Ro 80 besonders durch die ganz ungewöhnliche Laufruhe seines 115 PS-Wankelmotor aus, was zum typischen Merkmal wurde. Die Erfolge der Neckarsulmer Ingenieure und Techniker schlugen sich neben dem Ro 80 vor allem in vielen neuen Verträgen mit Lizenznehmern in aller Welt nieder. So berühmte Firmen wie Daimler-Benz, Fichtel & Sachs, Rolls-Royce, Alfa-Romeo und General Motors gehörten ebenso dem “Wankel-Club” an, wie die japanischen Automobilgiganten Toyo Kogyo und Toyota. Die Neckarsulmer Wankelpioniere hatten 24 Haubt- und weitere drei Nebenverträge mit Partnern in Europa, Amerika und Asien abgeschlossen.
12. Sportliche Kompaktwagen
100.000 inzwischen verkaufte “kleine Prinz-Wagen”, zu denen 1958 nog das Sportprinz-Coupe hinzukam, ermutigten die Neckarsulmer Autobauer zu neuen Taten. Sie bauten 1961 den deutschen Kompaktwagen neuen Stils, den Prinz 4, der die Produktionszahlen steil nach oben führte. 1964 kam der NSU Prinz 1000 mit einem luftgekühlten Vierzylindermotor hinzu und ein Jahr später als sportliche Version der NSU 1000 TT. Zu dieser Vierzylinder-Baureihe mit ihren medernen Viertaktmotoren kam dann kurze Zeit danach der NSU Typ 110 und 1200 als neues Modell hinzu und rundete das Automobilprogramm nach oben ab. Die Sporttauglichkeit der wendigen und schnellen Kompaktwagen aus Neckarsulm wurden durch große Sporterfolge unterstrichen. Sie konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch der Automobilhersteller stark unter der Rezession zu leiden hatte. Ein Glück, daß der Export einiges ausglich. In der Krisenzeit stand in Italien der Prinz 4 an erster Stelle in der Liste sämtlicher importierter Fahrzeuge. Mit berechtigtem Stolz verkündete man im September 1966 in Neckarsulm: Das 500.000ste NSU-Automobilproduktion im Jahre 1957 das Fließband verlassen und brachte das aufstrebende Werk an die Halbe-Milliarde-Umsatzgrenze.
13. Der NSU K 70
Und wärend 1967 der Ro 80 “auto des Jahres” geworden war, arbeiteten die NSU-Ingenieure bereits an einem neuen Mittelklassewagen mit wassergekühltem 1,5 Liter-Motor und Frontantrieb. Sein Name! K 70.
Der NSU 70 K im Jahr 1969. Kam im Herbst 1970 als VW zu verkaufen
Die Produktionskurve ging steil aufwärts. 127.750 Automobile wurden im Jahre 1967 hergestellt, das waren 24 % mehr als im vergangenen Produktions-Jahr. Der Automobil-Boom hielt an, doch nicht nur in dieser Branche zeigte sich immer stärker der Trend zum Zusammenschluß.
NSU TT 1969 - 1177 ccm, 65 PS/5500 U/m, max Höchstgeschwindigkeit 155 km/h
Die internationale Konkurrez war stark, manchmal übermächtig. Wer mithalten wollte, mußte in großen Dimensionen denken.
Eine Fusion mit einem starken Partner gleicher Größe und Programmstruktur, die den künftigen riskanten Alleingang verhindern sollte, war die richtige Lösung.
Deshalb gaben die NSU-Aktionäre auf der außerorderntlichen Hauptversammlung an 26. April 1969 nach 12 Stunden und 21 Minuten heißer Diskussion ihre Zustimmung zur Fusion mit dem reichen Partner Auto Union GmbH, Ingolstadt, aus der Großfamilie Volkswagen AG, Wolfsburg. Vom 21. August 1969 an hieß es dann: Audi und NSU machen gemeinsame Sache.
Als Unternehmen in optimaler Größenordnung verfügten nun die Ingolstädter und Neckarsulmer Autobauer über insgesamt 25.000 Werker, die mehr als 250.000 Automobile im Jahr produzieren, über ein komplettes Typenprogramm, ein gemeinsames Händlernetz und über eine schlagkräftige Vertriebsorganisation im Ausland.
Der NSU Haubtversamlung auf 10. März 1969. Hier beschlossen sie, mit der Auto Union AG zu fusionieren ab 1. Januar 1969.
Durch die Fusion zur neuen Firma Audi NSU Auto Union AG im Jahre 1969 hat die Selbständigkeit von NSU nach genau 97 Jahren aufgehört zu bestehen.
14. AUDI AG - NSU GmbH Neckarsulm - Audi Tradition
Mitte 1984 geriet der Name NSU noch einmal in die Schlagzeilen, denn das, was schon seit Jahren zu befürchten war, trat nun ein: Die 95. Hauptversammlung von Audi NSU beschloß, einem Antrag des Aufsichtsrats folgend, das Unternehmen ab 1. Januar 1985 unter Weglassung des Markennamens NSU in Audi AG umzubenennen. Zwar wurde der Markenname NSU aus dem Firmennamen verbannt, doch wird er von einer eigenen Gesellschaft zur Wahrnung der Tradition weiter gepflegt. Denn seit dem 30. November 1984 gibt es die NSU GmbH Neckarsulm unter Geschäftsführer Peter Lutz. Nicht nur dort, sondern vor allem bei den vielen Freunden der Marke NSU wird diese über 100-järige Geschichte weiterleben.
Neue Ausgabe: Die NSU-Story - Die Chronik einer Weltmarke - Peter Schneider
414 Seiten, 533 s/w Bilder, 45 Farbfotos, 235 x 270 mm, gebunden.