NSU TTS: Krafturen für NSU-Motoren
Artikel von hobby - Das Magazin der Technik Nr. 6/67
22.3.1967
Jahrgang XV - Ing. Anton Konrad
So frisiert man Autos!
Mit röhrendem Motor schieße ich auf eine Kurve zu: bremsen, schalten - beschleunigen. Gebannt beobachte ich in meinem 'Rennwagen' den Drehzahlmesser, der immer höher klettert: 7000 - 7200 - 7500 U/min. Die Tachonadel steht leicht zitternd bei 175 km/h. Die lange Gerade des großen Kurses im Hockenheimer Motodrom gleitet mir hinweg, wird gleichsam aufgefressen. Schon kündigt sich die Ostkurve an. Bremse kurz antippen und Vollgas. Mit guten 160 km/h ziehe ich den Wagen driftend durch diese schnelle Kurve und fahre auf den kurvenreichen Teil der 6,7 km lange Runde zu. Schon bin ich mitten drin, Rechtskurve, Linkskurve und nochmals Linkskurve, dann zwei Rechtskurven. Die Fliehkraft preßt mich gegen die Türe, die Reifen quietschen, doch das Auto fährt wie auf Schienen um die Ecke. Die Zielgerade, bremsen, aussteigen. Ein Blick noch auf das Ölthermometer: 105 ° Celcius. Der Motor scheint sich also nicht einmal anstrengen zu müssen, um solche tollen Fahrleistungen zu vollbringen. Dabei sind 85 PS für einen Motor mit 1000 ccm Hubraum eine ganze Menge Kraft - und das Schönste: diesen frisierten Kraftprotz kann man im Laden kaufen! Er heißt NSU TTS und kostet 7500 Mark für die 70-PS-Version und ca. 8300 Mark für die Ausführung mit 85 PS. Doch neben der neuen Möglichkeit, ein rallye- oder rennfertiges Auto im Laden zu kaufen, gibt es für NSU-Fahrer noch eine andere: Man baut sich mit Frisierteilen seinen Motor selbst um oder läßt ihn von einem Spezialisten hochtrimmen.
Siegfried Spiess beschäftigt sich schon seit Jahren in seiner Freizeit mit den sportlich veranlagten NSU-Motoren. Seine ersten Rennerfolge erzielte Spiess auf einem 600er Prinz, dessen 30-PS-Motor er auf gute 42 PS brachte.
1. Stufe: Doppelvergaseranlage = 8 bis 10 PS mehr
Doch inzwischen gibt es von NSU ein für Frisierarbeiten noch dankbareres Objekt: den luftgekühlten Vierzylinder des NSU Prinz 1000, dem sich dann ach bald der 1100 des 1000 TT dazugesellte. Die NSU-Vierzylindermotoren mit obenliegenden Nockenwellen sind robust, sehr drehfreudig, und schon mit relativ wenigen Änderungen lassen sich verblüffende Ergebnisse erzielen. Für Bastler, die nicht die Möglichkeiten haben, einen Motor von Grund auf zu bearbeiten, sind Umbauten besonders interessant, die allein mit einigen Schraubenschlüsseln ausgeführt werden können. Dazu zählt der Einbau einer speziellen Vergaseranlage mit dazu passenden Ansaugkrümmern. Siegfried Spiess hat eine solche Anlage entwickelt, die für den 1000er wie für den 1100er etwa die gleiche Leistungssteigerung bringt, nämlich 8 bis 10 PS. Die Anlage besteht aus einem speziellen Ansaugkrümmer und zwei Weber-Doppelvergasern vom Typ 40 DCOE8. Der Einbau dieser Anlage dauert etwa eine Stunde, und man erzielt neben dem Leistungsgewinn eine bessere Laufcharakteristik des Motors, der sich nun 'entdrosselt' wesentlich wohler fühlt. Der angegebene Leistungszuwachs ist allerdings nur bei 'offenen' Vergasern zu verzeichen. Wem das Ansauggeräusch der zwei Doppelvergaser zu laut ist, der kann natürlich einen Luftfilter verwenden. Anstelle der 8 bis 10 PS beträgt der Leistungszuwachs dann 5 bis 7 PS. Die Kosten sind im Verkleich zum Gewinn nicht zu hoch: 630,- Mark für die gesamte Anlage. Spiess entwickelt zur Zeit einen Ansaugkrümmer, auf den dann nur ein Weber-Doppelvergaser gesetzt wird. Der Leistungsgewinn soll bei 5 bis 6 PS liegen, und die Kosten betragen hierfür etwa 350,- DM. Siegfried Spiess fuhr 1965 mit einem NSU 1000 viele Siege bei Bergrennen heraus und das, obwohl er mit diesem Auto in der GT-Klasse starten mußte. Die Motorleistung dieses Rennmotors lag bei ca. 90 PS, die sich nach gründlicher Bearbeitung des gesamten Motors erzielen lassen. Inzwischen werden in der Spiess-Werkstatt vernehmlich 1100er-Motoren präpariert, die auf ca. 95 PS kommen.
2. Stufe: Vom Prinz-Motor zum Rennmotor
Für den 1000er wie für den 1100er sind die durchzuführenden Arbeiten gleich: Sie beginnen mit dem Kurbeltrieb. Erstaunlicherweise kann die Serie-Kurbelwelle unverändert übergenommen werden. Es müssen lediglich Polierarbeiten durchgeführt werden, um die Festugkeit zu erhöhen. Das gleiche gilt für die Pleuel, die peinlich genau auf das gleiche Gewicht ausgewogen werden müssen. Die Serienkolben werden gegen geschmiedete Spezialkolben ausgetauscht, die Spiess in zahlreichen Versuchen entwickelt hat. Diese Kolben haben eine abgeschrägte Dachform und erhöhen dadurch das Verdichtungsverhältnis auf 10,5:1. Die umfangreichsten Änderungen erfährt der Zylinderkopf, und hierbei ist der bedeutendste Arbeitsvorgang am Spiess-Motor die Vergrößerung des Kugelbrennraum-Radius. Weiterhin werden größere Ventile eingebaut, und zwar Einlaß 38 mm (normal 35 mm), Auslaß 35 mm (normal 32 mm). Die Einlaß- und Auslaßkanäle hineinragen, verkürzt. Härtere Ventilfedern mit 62 kg Federkraft (normal 48 - 52 kg) dienen der Drehzahlfestigkeit des Ventiltriebs. Die Seriennockenwelle wird gegen eine Spezialnockenwelle mit größeren Ventilüberschneidungen ausgetauscht. Für gute Fülling sorgen die beiden Weber-Doppelvergaser und der spezielle Ansaugkrümmer. Mit offenem Rennauspuff erreicht der so bearbeitete 1000er 90 PS und der 1100er 95 PS, mit Serienauspuff liegt die Leistung jeweils bei 75 und 85 PS. Ehe wir der Frage nachgehen, wie sich das NSU-Werk die Vor- und Entwicklungsarbeiten des Frisierkünstlers Siegfried Spiess zunutze gemacht hat, ist es an der Zeit, die Kosten zu nennen. Was muß man also für den 'Spaß von Spiess' auf den Tisch legen? Je nach Leistung ca. 1500 - 2000 DM. Dabei muß man bedenken, daß für die Rennversion allein die Spezialteile ca. 1500,- DM kosten. Der Umbau eines Serienmotors dauert ein bis zwei Tage.